Die Bundestrainer Jan Gustafsson (Männer) und Yuri Yakovich (Frauen) haben die Kader für die kommende Mannschaftseuropameisterschaft nominiert, die vom 10. bis 21.11.2023 in Budva, Montenegro stattfindet.
Beide Bundestrainer überraschten dabei mit ihren Aufstellungen kaum. Gustafsson, seines Zeichens früherer Sekundant von Peter Leko und Magnus Carlsen, ist an eine Vorgabe gebunden, die sich die Spieler selbst gewünscht und durchgesetzt haben. Diese Vorgabe lautet, dass die ersten 4 Spieler der deutschen Elorangliste nominiert werden müssen. Bei der Europameisterschaft, wird an 4 Brettern gespielt, ein Reservespieler ist zusätzlich erlaubt. Nur das Reservebrett darf vom Bundestrainer nach eigenem Ermessen bestimmt werden. Diese Regelung ist in der Trainerzunft durchaus umstritten, will man doch bei solchen Turnieren neben den besten Spielern auch jene dabei haben, die in einer Mannschaftsdynamik funktionieren.
Dass bereits kurz nach in Krafttreten dieser Regelung ein Sonderfall eintritt, über den sich die Verantwortlichen keine Gedanken gemacht haben ist dabei umso ärgerlicher. Denn Rasmus Svane und Dmitrij Kollars teilen sich mit einer Elo von 2641 Punkten den vierten und den fünften Platz der deutschen Rangliste. Also jenen Platz der für eine garantierte Nominierung reicht und jenen Platz der eventuell dem 6., 7. oder 8. der deutschen Rangliste weichen muss. Wäre es diesmal so gekommen, man hätte es Jan Gustaffson kaum verübeln können. Denn auf Rang 6 der deutschen Rangliste lauert der junge Frederik Svane, der in der vergangenen Nacht die erste Runde bei der Junioren-WM in Mexiko-Stadt bestritt.
Doch Gustafsson wagte keine Experimente und nominierte neben den gesetzten Vincent Keymer, Alexander Donchenko und Matthias Blübaum auch Rasmus Svane und Dmitrij Kollars. Damit geht Deutschland mit einem sehr talentierten, wie jungem Team an den Start. Das kann zu einem Vorteil werden, wenn es erst mal läuft und ältere Teams Probleme mit der Kondition bekommen. Die Jugendlichkeit kann sich auch zum Nachteil entwickeln. Nach einem Rückschlag gibt es keinen erfahrenen Spieler in der Mannschaft der die jungen Spieler wieder aufrichtet.
Die Hoffnung bleibt natürlich bestehen, dass mit dieser goldenen Generation vielleicht eine Wiederholung des EM-Sieges von 2011 möglich ist.
Bei den Damen hat der Bundestrainer freie Hand, wen er nominiert. Yakovich ist dabei um seine Aufgabe nicht zu beneiden, auch wenn sich die ersten beiden Bretter mit Elisabeth Pähtz und Dinara Wagner von selbst aufstellen. Dahinter wird es kniffeliger, viele Spielerinnen mit einer Elo um 2300 bieten sich für einen der drei verbliebenen Plätze an. Das vom DSB aufgelegte Powergirls-Programm hat keine der teilnehmenden jungen Damen so weit nach vorne katapultiert, dass man an ihr nicht mehr vorbeikommt.
Yakovich scheint auf Kontinuität zu setzen. Auf den ersten Blick eine logische Strategie für die traditionell auch mal unruhig agierende Frauenmannschaft. Der schnellste Haken war sicherlich an dem Namen von Jana Schneider gemacht. Bei der vergangenen Olympiade mit einem Brettpreis ausgezeichnet, bewies sie bei der kürzlich zu Ende gegangenen Frauen-WM ein weiteres Mal ihren unglaublichen Kampfgeist.
Die nächste Spielerin im Team ist Josefine Heinemann, zwar schloss sie die Team-WM, die im Schnellschach-Format ausgetragen wurde, denkbar ungünstig mit 2 Niederlagen ab. Der Bundestrainer wird aber ihre vorher soliden Ergebnisse, wie auch ihre unglaublich starke Eröffnungskenntnis zu schätzen wissen.
Zu guter Letzte löse Hanna-Marie Klek das Ticket. Klek. Mit vielen Schwankungen in letzter Zeit ist menschlich ein Ruhepol. Bei einer nervenaufreibenden Meisterschaft, wie der EM, ein wichtiges Pfund.
Alles in allem ist festzuhalten, dass die Deutschen Mannschaften zum erweiterten Favoritenkreis zählen. Nun kommt es auf die Vorbereitung vor Ort, die Form einzelner SpielerInnen und einen guten Start an, um die Frage zu beantworten ob aus dem großen Potenzial der Mannschaften auch etwas Zählbares entstehen kann.