Frühe Jahre und Ausbildung bei Anderssen
Arnold Schottländer wurde am 2. April 1854 in Münsterberg in Schlesien (heute Ziębice, Polen) geboren. Fast sein ganzes Leben verbrachte er aber im etwa 60 Kilometer entfernten Breslau (heute Wroclaw, Polen). Insbesondere durch Adolf Anderssen (1818-1879) hatte diese Stadt im 19. Jahrhundert für das Schach eine besondere Bedeutung.
Auch Schottländer, der aus einer wohlhabenden Familie jüdischer Herkunft stammte, trainierte bei Schachlehrer Anderssen und wurde so zu einem Spieler von Meisterstärke. Fritz Riemann (1859-1932) war ein weiterer Anderssen-Schüler, der ein erfolgreicher Schachmeister wurde. Leider hatte Schottländer zeit seines Lebens mit gesundheitlichen Problemen zu kämpfen, die sich auch auf sein Schachspiel auswirkten. So schrieb die Wiener Schachzeitung (1909) über ihn:
„Von Geburt an mit einem schweren körperlichen Leiden behaftet (Lähmung der Extremitäten), das ihm die Ausübung eines Berufes unmöglich machte, verlegte er sich schon in jungen Jahren auf die Schachkunst, die seinem regen Geist zu wundervollen Kombinationen Gelegenheit in Fülle bot.“
Bild: Schottlaender, Arnold - History of Chess and Checkers - Cleveland Public Library Digital Gallery
Treffpunkt „Brunies“: Breslaus Schachszene
In Breslau traf sich in der „Conditorei Brunies“ alles, was zu jener Zeit im Schach Rang und Namen hatte. Der erste offizielle Vizeweltmeister der Schachgeschichte Johannes Zukertort (1842-1888) und der junge Siegbert Tarrasch (1862-1843) waren unter den regelmäßigen Besuchern im „Brunies“.
Arnold Schottländer spielte dort fast täglich mehrere Stunden Schach. Neben einigen Meisterspielern versuchten sich an den Brettern auch viele Kaffeehausspieler und schwächere Spieler. Einer dieser Spieler ohne Meisterstärke war Gustav (Kampfname: „der Zerschmetterer“), der Arnold Schottländer gerne zu Partien herausforderte und in einer der Partien in der folgenden Stellung selbst zerschmettert wurde:
1. ... Dxh1+ 2. Kxh1 Sxf2+ 3. Kg1 Sh3#
Das „Libellenmatt“: Ein Vermächtnis
Möglicherweise war es genau diese Partie, die dazu geführt hat, dass selbst der große Schacherklärer Savielly Tartakower (1887-1956) in seinem Kommentar für die französische Echiquier (23.03.1933) zur Partie Max Romih – Victor Kahn, Paris 1927, das hübsche Matt nach Arnold Schottländer benannt hat.
Die heutige englische Bezeichnung dieses Mattbilds "Suffocation Mate", also auf Deutsch „Erstickungsmatt“ ist ein wenig problematisch, da die allermeisten beim „erstickten Matt“ ein anderes Mattbild im Kopf haben [Weiß: Sf7, Schwarz: Kh8, Tg8, g7,h7]. In der langen Zeit nach Tartakower ist nun aber einigen Schachfreunden aufgefallen, dass das Mattbild von Schottländer gewisse Ähnlichkeiten mit einer Libelle aufweist, weshalb das Schottländer-Matt heute unter dem Namen Libellenmatt bekannt ist (vgl. Schachgeflüster Video).
Turniererfolge und schachliche Entwicklung
Arnold Schottländer erlangte die Meisterwürde im "Westdeutschen Hauptturnier" auf dem Kongress des Westdeutschen Schachbundes in Frankfurt 1878. Ein Jahr zuvor hatte sich in Leipzig der Deutsche Schachbund gegründet. Der Westdeutsche Schachbund, der bereits seit 1862 bestand, richtete aber noch bis 1880 eigene Schachkongresse aus.
Durch den Turniersieg beim Hauptturnier in Frankfurt gab es als Belohnung für ihn nicht nur einen großen silbernen Pokal im Renaissancestil, sondern auch die Teilnahmeberechtigung für alle noch kommenden DSB-Kongresse.
Siege gegen große Namen
Bei diesen DSB-Kongressen oder auch in anderen Meisterturnieren konnte Schottländer jedoch nie die Spitzenplätze erreichen (vgl. Tabelle).
Schottländer konnte im Laufe seiner Schachkarriere aber dennoch immer wieder Siege über bedeutende Spieler erringen. Darunter waren Siege gegen Siegbert Tarrasch, Isidor Gunsberg, Louis Paulsen, Jacques Mieses, Berthold Englisch, Emil Schallopp, Henry Bird, George Mason, Joseph Blackburne oder Adolf Albin.
Reise in die USA und Simultanvorstellung
Während eines mehrmonatigen USA-Aufenthalts 1893, gab Schottländer ein Simultan an 14 Brettern im Brooklyn Chess Club (+7 =4 -3 aus Sicht von Schottländer). Darüber berichtete die Brooklyn Daily Standard Union vom 27.05.1893:
„Arnold Schottländer is a remarkable chess player; that any man so afflicted physically should possess so much brightness of intellect is a matter of wonder; he is a paralytic having very imperfect control of his muscles. As he walked around the circle of tables in his exhibition, his steps were uneven, and his hands could hardly be made to grasp the pieces yet his conception of the problems in the games was keen; many gems were the result of a moment’s study, and all of the games were interesting.“
Zeitgenössische Charakterbeschreibungen
In einem zeitgenössischen Spielerportrait der Chess Monthly (August 1894) wird Schottländer folgendermaßen beschrieben:
„Schottländer is an entertaining companion, full of sparkling wit and pungent chaff, but takes it good humouredly if he himself is made the butt, as he is never at a loss for a repartee.“
Letzte Jahre und Vermächtnis
Über seine letzten Jahre schreibt die Wiener Schachzeitung:
„Zunehmende Kränklichkeit machte ihm seither die Beteiligung an Turnieren unmöglich. Dem Schach aber blieb er bis zum letzten Atemzuge treu. Er besuchte fast alle deutschen und internationalen Kongresse als Zuseher und noch wenige Stunden vor seinem Ende, am 8. September 1909, ließ er im Café Bauer zu Berlin seinen Genius leuchten – es war das letztemal.“
Am 9. September 1909 starb Arnold Schottländer im Alter von 55 Jahren an einem Schlaganfall.
Großzügige Stiftung nach dem Tod
In der Meldung „Die Stadt Breslau als Erbin“ des Schlesischen Tagblatts vom 1.10.1909 heißt es:
„Der vor wenigen Wochen verstorbene Schachmeister Arnold Schottländer vermachte der Stadt Breslau 300.000 Mark und verfügte, daß sein Bruder Hermann den Zweck dieser Stiftung bestimmen dürfe, falls er diese Summe auf eine halbe Million erhöht. Wie die „Breslauer Zeitung“ berichtet, hat der Bruder nunmehr die Erhöhung bewilligt.“
Mit diesem Erbe durch die Schottländer-Stiftung wurden unter anderem einige Krankenhäuser in Breslau sowie weitere Wohltätigkeitsorganisationen finanziell unterstützt.
Ein Grab für einen Schachmeister
Schottländer als „markante Persönlichkeit und ein stets opferwilliger Förderer des königlichen Spiels“ (Wiener Schachzeitung) blieb dem Schach sogar über seinen Tod hinaus verbunden, denn er hinterließ dem Deutschen Schachbund 3000 Mark und dem Schachverein Anderssen Breslau 1000 Mark.
Sein Grab mit Schachbrett und Springerfigur befindet sich auf dem Alten Jüdischen Friedhof in Breslau. Die Grabinschrift lautet:
Sein Körper war schwach, sein Geist aber stark.“
Bild: Wikipedia
Quellen:
- Minckwitz, Johannes (1879): Die Schachcongresse zu Düsseldorf, Köln u. Frankfurt a. M. Veranstaltet von dem Westdeutschen Schachbunde in den Jahren 1876, 1877, 1878
- Schellenberg, Paul/ Schlechter, Carl/ Marco, Georg (1905): Der Vierzehnte Kongress des Deutschen Schachbundes, E.V., Coburg 1904
- Cleveland Public Library
- https://cplorg.contentdm.oclc.org/digital/collection/p4014coll20/id/15796
- https://chesshistory.com/winter/winter187.html
- (C.N. 11724 Schottländer’s mate)
- https://chesshistory.com/winter/pics1/cn11724_schottlander.jpg
- https://www.chesshistory.com/winter/extra/miesesschottlaender.html
- Michael Negele (KWA Meeting, Dresden 2008) - Arnold Schottländer – a cripple, fond of chess
- https://kwabc.org/files/kwabc/news/2008/11/dresden/Arnold_Schottlaender.pdf
- https://www.kwabc.org/en/gallery/jewish-cemetery.html
- Olimpiu G. Urcan (Olimpiu Di Luppi): Schottländer in America. May – August 1893 (Chesscafe.com)
- https://web.archive.org/web/20101206000041/http://www.chesscafe.com/text/urcan04.pdf
- Wiener Schachzeitung 1909
- https://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno-plus?aid=sze&datum=1909&page=333
- Henryk Konaszczuk (polnisch)
- https://web.archive.org/web/20220518004101/http://szachowavistula.pl/vistula/schottlander.htm
- www.chess.com/blog/henry55/arnold-schottlaender
- https://tartajubow.blogspot.com/2017/04/arnold-schottlander.html
- https://www.chessgames.com/perl/chessplayer?pid=19119
- https://www.teleschach.de/historie/leipzig1879.htm
- https://www.teleschach.de/historie/nuernberg1883.htm
- https://web.archive.org/web/20040428145213/https://xoomer.virgilio.it/cserica/scacchi/storiascacchi/tornei/1851-99/1888leipzig.htm
- https://www.chess.com/blog/Steakanator/winners-pov-wiesbaden-1880
- https://www.bremersg.de/fast-alles-über-uns/geschichte-und-geschichten/die-simultanveranstaltungen/
- https://www.schachbund.de/news/fritz-riemann.html
- https://ballo.de/schachbund
- Jeremy Gaige Archive, Chess Crosstables, Crosstables 1849-1895
- https://drive.google.com/drive/folders/1DZpTvYRRjkNyWPzLiT_BGizeSy1eHyIW
Libellenmatt
- https://youtube.com/shorts/pIv0mQt-D-4?si=ck9Iy-gE2ZEzkqxQ
- https://de.m.wikipedia.org/wiki/Libellenmatt
- https://chesspuzzle.net/Learn/DragonflyMate
- https://chessmood.com/blog/checkmate-patterns