Als Aljechin die Stadt verzauberte | Das 4. Int. Baden-Badener Faschingsopen im historischen Kontext

Als Aljechin die Stadt verzauberte | Das 4. Int. Baden-Badener Faschingsopen im historischen Kontext

Das 4. Int. Baden-Badener Faschingsopen steht vor der Tür - und steht in einem ganz besonderen schachhistorischen Zusammenhang. 

Grenke Schachopen 2025 findet statt | neues Freestyle-Format mit Magnus Carlsen und Vincent Keymer Reading Als Aljechin die Stadt verzauberte | Das 4. Int. Baden-Badener Faschingsopen im historischen Kontext 6 minutes

Vom 28. Februar bis zum 4. März trägt das Schachzentrum Baden-Baden im Kulturhaus LA8 das 4. Internationale Baden-Badener Faschings-Open aus. 

Das Turnier findet in einem interessanten historischen Kontext statt. Denn vor 100 Jahren, im Frühjahr 1925, wurde im Kurhaus Baden-Baden (Quelle) ein Schachturnier durchgeführt, das in die Geschichte einging. Vom 15. April bis zum 14. Mai trafen sich 21 herausragende Schachmeister zu einem Rundenturnier über 20 Runden, in dem 210 Partien gespielt wurden.

Die Elite Europas und die Abwesenheit der Weltmeister

Während der frühere Weltmeister (Lasker), der amtierende Champion (Capablanca) und der spätere Weltmeister Euwe fehlten, folgten zahlreiche Spitzenspieler der Einladung von Dr. Siegbert Tarrasch. Unter den Teilnehmern finden sich fast nur klangvolle Namen, die heutzutage Namensgeber von wichtigen Eröffnungsvarianten sind - Rubinstein, Nimzowitsch, Grünfeld, Bogoljubow und weitere. Unter ihnen befand sich auch Alexander Aljechin, der das Turnier glanzvoll gewann. 


Alexander Aljechin (Foto: Wikipedia)

Aljechin: Der kommende Weltmeister

Das Turnier zeigte, dass Aljechin seiner Konkurrenz einen Schritt voraus war. Rubinstein, der als sein größter Herausforderer galt, konnte spielerisch nicht mithalten. Aljechin gewann mit einem Vorsprung von 1,5 Punkten und spielte mit einer Intensität, die ihn von anderen Spielern unterschied. Zwei Jahre später holte er sich in Buenos Aires den Weltmeistertitel gegen Capablanca. 

Das Hypermoderne Zeitalter bricht durch

Das Turnier war ein Meilenstein in der Entwicklung des hypermodernen Schachs - einer Denkweise, die in den 1920er Jahren, aufbauend auf Nimzowitsch, entwickelt wurde Während es nach den klassischen Grundsätzen um die Besetzung des Zentrums ging, sprachen die Vertreter des hypermodernen Schachs von der Beherrschung des Zentrums. Dazu genügt die Fernwirkung durch die Figuren, die Bauern müssen nicht zwingend gleich zu Beginn ins Zentrum gestellt werden. 

Richard Réti (Foto: Wikipedia)

Richard Réti, einer der führenden Vertreter des hypermodernen Schachs, stand stellvertretend für die neue Denkrichtung. Sein Sieg gegen Capablanca ein Jahr zuvor in New York markierte einen Meilenstein der hypermodernen Schule. Rétis erste sechs Züge in dieser Partie lauteten: 1. Sf3 2. c4 3. b4 4. Lb2 5. g3 6. Lg2 (Link zur Partie). 

Carlos Torre Repetto: Der mexikanische Kreativspieler

Ein weiteres Highlight des Turniers war das Debüt des Mexikaners Carlos Torre Repetto. Aljechin war so vorsichtig, dass er in der ersten Runde ein schnelles Remis gegen Torre anstrebte, um kein Risiko einzugehen. Obwohl Torre nur den 10. Platz belegte, beeindruckte er mit kreativen Ideen. 



Carlos Torre Repetto (Foto: Wikipedia)

Nach ihm ist ein noch heute populäres Eröffnungssystem benannt, der Torre-Angriff. Außerdem führte er beim Turnier in Baden-Baden1925 in Baden-Baden die Zugfolge 1. d2–d4 Sg8–f6 2. c2–c4 Sb8–c6 ein, die als Mexikanische Verteidigung (im Englischen meist als Black knight's tango) bezeichnet wird. Im selben Jahr brillierte Torre in Moskau gegen Lasker mit einer wunderschönen Zwickmühle: 

1. Lf6! baut nach dem erzwungenen ...Dxh5 mittels 2. Txg7+ die Zwickmühle auf (Link zur Partie). 

Der erste sowjetische Vertreter

Das Turnier brachte auch eine politische Komponente ins Spiel: Zum ersten Mal wurde ein sowjetischer Spieler entsandt, um sich mit der westlichen Elite zu messen. Ilya Rabinovich vertrat die UdSSR und erzielte einige respektable Ergebnisse gegen starke Gegner wie Bogoljubow, Spielmann und Tarrasch. Doch er konnte keinen bleibenden Eindruck hinterlassen.

Das Ende einer Ära für Tarrasch

Der Organisator des Turniers, Siegbert Tarrasch, wollte das deutsche Schach nach dem Ersten Weltkrieg wiederbeleben. Doch das Turnier zeigte auch das Ende seiner eigenen großmeisterlichen Karriere. Mit einer Bilanz von -5 landete er im unteren Tabellenbereich, und seine Niederlage gegen Aljechin (vgl. unten) wurde zu einer der berühmtesten Partien des Turniers.



Turniergastgeber Siegbert Tarrasch (Foto: Wikipedia). Von Tarrasch stammt eines der schönsten Schachzitate: "Das Schachspiel hat wie die Liebe, die Musik, die Fähigkeit, den Menschen glücklich zu machen.“ – aus: Tarrasch, Lehrbuch "Das Schachspiel"

Ein hochklassiges Turnierbuch

Das Turnierbuch von Baden-Baden 1925, ebenfalls verfasst von Tarrasch, gehört zu den besten Büchern seiner Art. Mit Kommentaren von ihm selbst, von Tartakower und Aljechin bietet es eine tiefgehende Analyse der gespielten Partien und ihrer theoretischen Bedeutung. Die von verschiedenen Spielern annotierten Partien gewähren interessante Einblicke in die Denkweise der damaligen Elite. 

Bemerkenswerte Partien

Aus der Fülle an hochkarätigen Partien sollen die drei folgenden herausgestellt werden: 

George Alan Thomas vs. Alexander Aljechin 0:1

Die Partie erlangte vor allem dadurch Berühmtheit, dass Aron Nimzowitsch sie in seinem Klassiker "Mein System" aufnahm. Das ist insofern eine Seltenheit, als Nimzowitsch in diesem Buch ansonsten fast ausschließlich seine eigenen Partien besprach. 

Die Partie gilt als Musterbeispiel für das Thema "guter Läufer" (Aljechin/Schwarz) gegen "schlechten Läufer" (Thomas/Weiß) - Link zur Partiebesprechung. 

Richard Reti vs. Alexander Aljechin 0:1

Diese Partie stellt eine der größten kombinatorischen Leistungen Aljechins dar. Sie findet sich auf der aus 46 Partien bestehenden "Liste berühmter Schachpartien" auf Wikipedia.  Im 31. Zug führte Aljechin mit Schwarz den Gewinnzug aus. 

31. ... Sf6-e4!!  Der schwarze Turm auf e3 darf nicht genommen werden, weil daraufhin 32. … Sxd2 mit Qualitätsgewinn folgen würde.

Siegbert Tarrasch vs. Alexander Aljechin 0:1

Ein weiterer Schwarzsieg gelang Aljechin gegen Tarrasch. Mit ...Te5! und anschließendem Turmschwenk auf die g-Linie nutzte Aljechin die - durch Läuferopfer auf h3 - geschwächte weiße Königsstellung aus. Link zur Partie

Der Endstand

Hinter dem Sieger Aljechin landete Akiba Rubinstein auf dem zweiten Platz, gefolgt von Friedrich Sämisch und Efim Bogoljubow. Enttäuschend verlief das Turnier insbesondere für Gastgeber Tarrasch (Platz 16). 

Fazit

Das Turnier von Baden-Baden 1925 war nicht nur ein Schachfestival von höchster Klasse, sondern auch ein Wendepunkt in der Entwicklung des Schachs. Aljechin zeigte seine künftige Weltmeisterform, und die hypermodernen Ideen gewannen endgültig an Bedeutung. 

Ein Jahrhundert später bildet dieses Turnier immer noch eine Quelle der Inspiration für Schachspieler und Schachhistoriker - insbesondere für die Teilnehmer des Turniers 2025. Auf der Teilnehmerliste befinden sich derzeit 283 Spieler, und eine Anmeldung ist immer noch möglich (zur Ausschreibung | zur Anmeldemaske | zur Liste der gemeldeten Teilnehmer). 

Quellen / weiterführende Links: 

 

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