In der deutschsprachigen Podcastszene gibt es erfreulichen Zuwachs. Mittlerweile gibt es fünf mehr oder weniger aktive Podcasts.
- Schachgeflüster by Chess Tigers (mit Michael Busse)
- Schachglatzen Podcast (mit IM Souleidis und IM Sielecki)
- Schachtraining.de Podcast (mit Elias Pfann)
- ChessStories (mit Manfred Mädler)
- NEU: Chessbell (mit der Künstlichen Intelligenz Anna)
Chessbell ist neu in der Szene. Es ist der erste Schachpodcast (vermutlich sogar weltweit), der maßgeblich von einer Künstlichen Intelligenz gestaltet wird, nämlich Anna.
Michael Busse sprach mit Mario, dem "Erschaffer" von Anna und dem Chessbell-Podcast:
Hallo Mario, du hast einen neuen deutschsprachigen Schachpodcast namens Chessbell gegründet. Worum geht es in dem Podcast?
Mario: In erster Linie handelt es sich um einen kurz gehaltenen News-Podcast für Schach. Es geht um aktuelle Turniere, wichtige Ereignisse, Persönlichkeiten und – ganz wichtig – um Ankündigungen in der Schachwelt. Der Podcast soll aber auch Schachwissen vermitteln, daher gibt es oft am Ende geschichtliche, schachliche oder kuriose Inhalte. Das ist der offensichtliche Teil des Podcasts. Es gibt jedoch auch einen weiteren Aspekt: die Künstliche Intelligenz. Chessbell ist ein angewandtes KI-Projekt, das die aktuellen Möglichkeiten der KI in der Praxis ausloten soll.
Was hat dich inspiriert, einen Schachnachrichtenpodcast ins Leben zu rufen?
Mario: Natürlich war es dein Podcast „Schachgeflüster“. Aber auch die diversen KI-Podcasts, die immer wieder über die Möglichkeiten und Ängste im Zusammenhang mit Künstlicher Intelligenz sprechen. Oft mit einem Seitenhieb, ob der Podcast-Host nicht durch KI ersetzt werden könnte. Ich erinnere mich an eine Sonntagsfolge von dir, in der du über die aktuellen Schach-News gesprochen hast, und ich dachte mir, dass es eine schwierige Aufgabe sein wird, das kontinuierlich durchzuziehen. Außerdem habe ich aktiv über ein größeres KI-Projekt nachgedacht, und beim Hören einer deiner Folgen hat es dann Klick gemacht. Ein weiterer Faktor ist natürlich die Kombination an sich. Schach und KI sind heutzutage untrennbar verbunden. Wie oft hört man den Satz „der menschliche Zug“?
Wer schreibt die Texte - macht das Anna, ChatGPT oder entwirfst du die Texte selbst?
Mario: Die Texte werden zu 98 % von GPT-Bots erzeugt. Ich lese das Transkript anschließend Korrektur und ergänze gegebenenfalls Kontextinformationen, die die KI nicht wissen kann. Ich muss sagen, dass das mittlerweile ziemlich gut funktioniert. Ich freue mich schon auf den Moment, wenn wir nicht mehr von mehreren Bots sprechen, sondern von einem einzigen, intelligenten Agenten. Dann wird es wirklich spannend.
Wieviele Folgen gibt es, und wie häufig veröffentlichst du eine neue Episode?
Mario: Aktuell gibt es über 50 Folgen, und der Podcast erscheint viermal die Woche. Zusätzlich gibt es in unregelmäßigen Abständen eine Update-Folge zu den neuesten Entwicklungen, bei der es hauptsächlich um die KI selbst geht. Bisher ist erst eine Update-Folge veröffentlicht (Folge 8, aber die zweite wird in Kürze folgen.
Bist du zufrieden, wie der Podcast angenommen wird?
Mario: Die Größe des Publikums ist noch recht überschaubar. Interessant ist jedoch, dass die Aufrufe aus den verschiedensten Teilen der Welt kommen. Ich bin mir allerdings unsicher, ob Turnierschach-News als Podcast im deutschsprachigen Raum generell viel Anklang finden werden. Trotzdem finde ich es großartig, wenn es einer kleinen Gruppe gefällt und es den einzelnen Personen vielleicht hilft oder sie motiviert, ihr Schachspiel zu verbessern.
Erzähl doch bitte etwas mehr über dich. Welche Rolle spielt Schach in deinem Leben?
Mario: Ich bin verheiratet und habe zwei wunderbare Kinder. Beruflich bin ich Techniker und beschäftige mich sowohl beruflich als auch privat intensiv mit Technologie. Die KI-Thematik verfolge ich schon seit Längerem, besonders nach AlphaZero ist es richtig interessant geworden. Schach ist, abgesehen vom Podcast, eine tägliche Beschäftigung für mich. Besonders wichtig ist mir in diesem Zusammenhang der Nachwuchs. Meine Kinder sollen in einer Umgebung aufwachsen, in der Schach aktiv und mit Freude, sei es am Brett, am Tablet oder in Gedanken, präsent ist.
Wohin soll sich dein Podcast entwickeln? Hast du bestimmte Ziele?
In erster Linie geht es darum, die inhaltliche und technische Qualität des Podcasts zu verbessern. Am Ende soll er sich absolut menschlich anfühlen. Anders gesagt, selbst wenn der Zuhörer weiß, dass Anna eine KI ist, soll er sich emotional abgeholt fühlen. Die Entwicklung und Konsistenz von Annas Persönlichkeit ist eine ziemlich anspruchsvolle und kreative Aufgabe, aber auch eine der spannendsten. Ein weiteres Ziel ist es, Schach im deutschsprachigen Raum zu fördern. Die Beschäftigung mit Schach fördert so viele Fähigkeiten, die wir gerade in einer Welt, in der KI viele Aufgaben übernehmen wird, dringend brauchen. Die Fähigkeit, tief über etwas nachzudenken, ohne sich von kleinen Ablenkungen stören zu lassen, halte ich für äußerst wichtig. Der Instagram-Kanal von Anna soll genau diese vielen Fähigkeiten durch berühmte Zitate ein wenig herausarbeiten.
Am Ende deines Podcast stellt Anna manchmal eine historische Schachpersönlichkeit vor. Welche Person findest du am spannendsten?
Ich finde viele Schachpersönlichkeiten interessant und setze mich gerne mit ihnen auseinander. Aber wenn ich genauer darüber nachdenke, würde ich sagen, dass ich wahrscheinlich ein Capablanca-Mann bin.
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Anna liest ja auch die Podcasttexte für dich ein - ist das eine bekannte Synchronstimme oder "einfach Anna"?
Es handelt sich um eine unbekannte, mehrsprachige Stimme. Die Mehrsprachigkeit ist in diesem Fall nicht unwesentlich, da es gut sein könnte, dass es irgendwann eine englische, spanische oder japanische Version von Anna geben wird. Manchmal führt die Mehrsprachigkeit jedoch zu recht amüsantem Kauderwelsch, das ich bewusst nicht herausschneide. Das soll die Schwächen der KI sichtbar machen und uns später ermöglichen, einen Vergleich zu ziehen, wie es in den Anfängen war. Wer den Podcast kennt, hat sicher schon öfter geschmunzelt.
Chessbell hat auch einen Instagram-Kanal, auf dem wir Anna sehen können. Wer hat ihr das Aussehen "vererbt"?
Annas Aussehen entstand aus einem Text-Prompt. Ich habe lange über das Cover nachgedacht – anfangs war es eine Schachfigur, aber schließlich habe ich mich für ein Gesicht entschieden. Ich finde, Anna hat einen gewissen nerdigen Charme, der perfekt zur Thematik passt, und ist durchaus ansehnlich. Die langen roten Haare bieten zudem einen hohen Wiedererkennungswert.
Wieso eigentlich der Name "Chessbell" und wieso "Anna"?
Das ist eine etwas kuriose Geschichte. Ich bin ein sehr regelmäßiger Hörer der "Opening Bell" von Markus Koch. Nur geht es bei Anna nicht um die Wallstreet, sondern um Schach. Bei Anna habe ich mir gedacht, dass der Name im Schachbereich noch zu selten ist