Am 20. Juli ist der Internationale Schachtag. In diesem Jahr markiert der Tag gleichzeitig das 100-jährige Jubiläum der Gründung des Weltschachverbandes FIDE.
Im deutschen Schach ist man grundsätzlich gern bereit, Jubiläen angemessen zu feiern. So wurde das Jahr 2018 zum Lasker-Jahr erklärt. Der Deutsche Schachbund und die Emanuel-Lasker-Gesellschaft würdigten den 150-jährigen Jahrestag der Geburt von Lasker mit einer Reihe von Veranstaltungen. Und auch auf das 150-jährige Jubiläum zur Gründung des DSB, das im Jahr 2027 gefeiert werden soll, wird bereits vorausgeblickt.
Die Feiern zur 100-jährigen FIDE-Gründung am 20. Juli finden jedoch - soweit erkennbar - ohne offizielle Beteiligung des Deutschen Schachbundes statt. Eine förmliche Stellungnahme dazu gibt es nicht, doch der Grund dürfte in der Distanzierung zur FIDE-Führung liegen, die in Person von Präsident Arkady Dvorkovich allzu große Nähe zum russischen Regime aufweist. Ein weiterer möglicher Grund ist die Vielzahl an eigenen Themen, die das DSB-Präsidium derzeit zu bewältigen hat (vgl. separater Blogartikel).
Die bereits erwähnte Emanuel-Lasker-Gesellschaft betont ihrerseits die Solidarität mit der Ukraine, beteiligt sich aber - entgegen früheren Planungen - dennoch an den FIDE-Feiern. Unter dem Motto "We celebrate Chess" lädt sie zu einem Schachfest in den World Chess Club Berlin ein.
Neben einem offenen Turnier finden dort interessante Vorträge zu schachkulturellen und -historischen Themen statt, wie z.B. von Dr. Frank Hoffmeister, Herbert Bastian und Michael Dombrowsky. Zudem werden geplante Kooperationen mit der ChessSports Association sowie dem europäischen Schachverband angekündigt. Zuletzt wird noch ein neues Inklusionsprojekt ("Offenes Fenster") vorgestellt.
In Österreich feiert man das Jubiläum vor allem durch das Turnier auf der Schallaburg. "Unser Turnier ist der österreichische Beitrag, mit dem wir die verbindenden Werte des Schachsports feiern und hervorheben", so Harald Schneider-Zinner, der als Präsident der ChessSports Association zugleich Mitglied des lokalen Organisationsteams ist. (Zur Webseite)
YouTuber The Big Greek wird ebenfalls vor Ort sein und seinen österreichischen Fans Gelegenheit zum Kennenlernen geben. Ein noch größerer Coup, nämlich die Teilnahme von GothamChess (Levy Rozman), scheiterte leider an den unterschiedlichen Vorstellungen beider Parteien.
Die FIDE selbst begeht das Jubiläum vor allem durch den Aufruf zu einem Weltrekordversuch, der dem Verband einen Eintrag ins Guinness Buch der Rekorde bescheren soll. "Am 20. Juli wird ein monumentales Event Schachspieler aus allen Ecken des Globus vereinen", so die offizielle Ankündigung. Angestrebt wird die Zahl von mindestens eine Million nachgewiesenen Schachpartien, die an diesem Tag gespielt werden sollen (Quelle).
In die Wertung kommen sowohl Online-Partien auf den Plattformen chess.com, lichess, FIDE Online Arena, simple chess und Chess Alliance, als auch Partien over the board. Weltweit sind 706 Turniere registriert, deren Partien mit einfließen. Aus Deutschland sind das 2. Lehrter Comitec Open sowie das Werner-Ott-Open in Kreuzberg mit von der Partie.
Die angestrebte Zahl von einer Million klingt hoch, aber bei einer Zahl von 37 Millionen gespielter täglicher Partien auf chess.com (Quelle) müsste es schon zu einem kompletten Shutdown der chess.com-Webseite kommen, damit das Ziel verfehlt wird.
Für Schachliebhaber soll es übrigens am 20.7. ab 15 Uhr eine Live-Übertragung des Rekordversuchs auf dem YouTube-Kanal der FIDE geben. Als Stargäste werden Gukesh, Vidit Gujrathi, Alireza Firouzja und Viswanathan Anand erwartet.
Eine weitere Aktivität der FIDE zur Feier ihres Jubiläums ist die Verleihung der FIDE100-Awards. Ziel dieser Awards ist es, Einzelpersonen und Organisationen zu würdigen, die die Entwicklung und Förderung des Schachs im vergangenen Jahrhundert weltweit maßgeblich beeinflusst haben.
Die Auszeichnungen werden in 19 Kategorien vergeben, u.a. bester Schachfotograf, bester Schiedsrichter oder bester Social Media-Influencer. Nominierungen (auch Selbstnominierungen) sind noch bis zum 15. August über diese Seite möglich, die Preisverleihung findet im Rahmen der Schacholympiade in Budapest statt.
Schachfans können die Preisvergabe in Teilen beeinflussen, denn die Auszeichnung für den besten Spieler bzw. die beste Spielerin wird durch Online-Stimmabgabe (hier zur Abstimmung für Männer / für Frauen) entschieden. Vielleicht wird auf diese Weise endlich die ewige Frage nach dem GOAT (Greatest of all times) geklärt.
Bleibt zu hoffen, dass der Internationale Tag des Schachs nicht zu machtpolitischen oder ideologischen Zwecken missbraucht wird, sondern seinen eigentlichen Sinn erfüllt: das Bewusstsein und die Begeisterung für Schach weltweit zu fördern, Schachspieler und Schachliebhaber auf der ganzen Welt zu vereinen und die Bedeutung des Schachs als intellektueller Sport und kulturelles Phänomen hervorzuheben.