Das Schachmuseum Klagenfurt

Das Schachmuseum Klagenfurt

Anita Stangl Du liest Das Schachmuseum Klagenfurt 9 Minuten Weiter Susan Namangale, die Queen of Lilongwe

Im Frühjahr 2022 interviewte Michael Busse die angehende Direktorin des Schachmuseums Klagenfurt, Melanie Auguszt, für den Schachgeflüster Podcast. Im Juli 2022 erschien dann die Zusammenfassung des Interviews im Schachmagazin64.

Hier kommt der Interviewtext:


Die Direktorin des neuen Schachmuseums in Klagenfurt

In Klagenfurt entsteht derzeit Europas größtes Schachmuseum. Außerdem soll dort die größte Schachfigur der Welt gebaut werden. Michael Busse vom Schachgeflüster Podcast sprach mit der angehenden Museumsdirektorin Melanie Auguszt.

Frau Auguszt, die meisten Leute in der Schachbranche werden Sie noch gar nicht kennen. Erzählen Sie uns doch bitte etwas über Ihre Person.
Ich bin 1990 geboren. Mein Vater ist Österreicher, meine Mutter Ungarin. Mit 19 Jahren bin ich nach Klagenfurt gezogen und habe hier einen Kärntner geheiratet. Gerade schreibe ich meine Diplomarbeit über Schach als Filmmotiv. Hoffentlich bin ich dann bald “Frau Magister”.

Schach als Filmmotiv, das klingt ja interessant. Worum geht es da genau?
Ich betrachte vier Filme, nämlich die „Schachnovelle” von Stefan Zweig, „Schach dem Roboter”, „Das Wunder von Marseille” und die Netflix-Serie „Das Damengambit”. Diese Filme untersuche ich nach dem Motiv Schach, d.h. welche Rolle spielt Schach in diesem Film, wie hat Schach das Leben des Protagonisten verändert und weitere Fragen in dieser Richtung.

Sind Sie selbst auch aktive Schachspielerin?
Das Schachspielen habe ich leider erst vor kurzem erst gelernt. Mittlerweile bin ich aber leidenschaftlich dabei. Abends spiele ich gerne ein paar Runden Schach auf chess.com, bin aber nicht im Verein. Ab und zu spiele ich auch mit
dem Museumsgründer Zoltan Mali einige Partien.

Wie kam denn die Idee mit einem Schachmuseum Klagenfurt überhaupt zustande?
Im Frühjahr 2021 habe ich über karitative Wege Zoltan Mali kennengelernt. Er ist der Bürgermeister eines Dorfs in Ungarn. Die soziale Lage in Südungarn ist nicht besonders rosig. Ich habe mich an einer Spendenaktion beteiligt, bekam
dann aber Zweifel, ob die Spenden überhaupt ankommen. Deswegen bin ich ins Auto gestiegen und einfach runtergefahren. Als ich dort war, hat mir Herr Mali dann seinen persönlichen Schatz gezeigt: eine riesige Sammlung von
Schachsets.

Welchen Eindruck hat die Sammlung auf Sie gemacht?
Ich war sehr verwundert, denn normalerweise möchte man so etwas ja der Öffentlichkeit präsentieren und nicht im Hintergarten verstecken. In Ungarn gibt es momentan keine große Kunstförderung. Ich habe ihm dann
vorgeschlagen, das Ganze in Klagenfurt auf die Beine zu stellen. Klagenfurt ist eine beliebte Tourismusstadt im Länderdreieck Österreich, Italien und Slowenien.

Melanie Auguszt

Von einer kleinen Schachfigurenausstellung bis zu Europas größtem Schachmuseum ist es ein weiter Weg.
Das stimmt, aber das ist noch nicht alles. Als die Ungarn erfahren haben, dass die Schachsammlung ins Ausland transportiert werden soll, haben sie plötzlich doch Unterstützung zugesagt. Zu diesem Zeitpunkt hatten wir in
Klagenfurt aber schon das Gebäude gemietet. So ist es gekommen, dass wir zwei Museen eröffnen werden: eines in Klagenfurt und eines in Südungarn.

Wo hat dieser Zoltan Mali die Schachspiele eigentlich alle her?
Sein Urgroßvater hat angefangen, Schachsets zu sammeln. Über Generationen wurde diese Familientradition dann fortgeführt. Immer wenn Zoltan Mali irgendwo unterwegs war, hat er Schachsets dazugekauft. Meine Aufgabe ist es jetzt, die Sammlung zusammenzuhalten und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

Welchen Charakter oder Stil soll das Museum in Klagenfurt denn bekommen?
Viele Personen haben die Vorstellung, dass es um eine verstaubte Sammlung von Holzbrettern hinter Vitrinen geht. Das möchten wir nicht. Wir präsentieren das Schachspielen trendy, modern und interaktiv. Es wird bestimmte Räume
geben, die nach Kontinenten aufgeteilt sind. Das heißt, wir stellen zum Beispiel das Schachspielen in Afrika dar, mitsamt passender Atmosphäre: Musik, Sandboden, Gerüche, Tierposter, warme Temperaturen usw.

Das klingt sehr interessant. Können Sie uns noch mehr über die Schachfiguren berichten?
Wir haben 3000 Schachsets aus 130 Ländern. Die Figuren bestehen aus allen möglichen Materialien wie zum Beispiel Holz, Papier, Glas, Keramik, Gold, Elfenbein und Metall. Eines der Sets aus Elfenbein wurde auf ungefähr 60.000
Euro geschätzt. Außerdem werden wir mit unseren Figuren auch ein paar Guinness-Rekordversuche wagen.

Zum Beispiel?
Wir werden das größte lebende Schachset aus Pflanzen ausstellen. Die Figuren sind Blumenkrüge. Darin wachsen sechs verschiedene Pflanzen, die die verschiedenen Figuren repräsentieren. Damit kann man zwar nicht spielen, aber fürs Outdoorschach haben wir auch Gartenschachsets vor dem Museum stehen. Außerdem möchten wir die größe Schachfigur der Welt ausstellen.

Die steht doch zurzeit in Saint Louis. Glauben Sie, dass der Schachclub von Saint Louis das auf sich sitzen lassen wird?
Wir sind gewappnet (lächelt). Als weiteren Guinness Rekordversuch möchten wir das größte Simultan der Welt mit 650 Personen im Klagenfurter Stadion organisieren. Dafür haben wir einen ungarischen Großmeister gewinnen können. Vermutlich werden wir das aber erst nächsten Sommer schaffen.

Inwieweit helfen Ihnen Ihre ungarischen Wurzeln?
In Ländern wie Ungarn ist das Schachspielen viel stärker verbreitet als in Österreich. Daraus entstehen zum Glück immer wieder fruchtbare Kontakte, die wir für das Museum nutzen können. Ich kenne auch einige Großmeister. So ist übrigens auch die Idee entstanden, ein Team aus ungarischen Großmeistern in der österreichischen Bundesliga anzumelden.

Das klingt spannend. Wer finanziert das Ganze eigentlich?
Ein Großteil der Finanzierung stammt von Zoltan Mali selbst. Leider bekommen wir von staatlicher Seite keine Bezuschussung. Wir erhalten aber finanzielle Unterstützung von Privatpersonen und kleinen Unternehmen.
Insgesamt kostet das Museumsprojekt ungefähr 2,2 Millionen Euro. Und wir sind noch lange nicht fertig.

Welche Angebote soll es denn rund um den Museumsbesuch geben?
Insgesamt haben wir vier Einzelprojekte: das Schachmuseum, ein Souvenirgeschäft, ein Bildungsraum und unser Frida Café, in dem man nach dem Museumsbesuch eine leckere Schachtorte essen kann. Dort gibt es auch die Möglichkeit, am PC Online-Schach zu spielen. Das Frida Café habe ich nach meiner Tochter benannt, die natürlich auch Schach spielt.

Welches Konzept steckt hinter dem Souvenirladen?
Das Souvenirgeschäft basiert auf einem grünen Prinzip. Wir werden mit einer ungarischen Ökofirma zusammenarbeiten, die Wertstoffe recycelt. Das Altpapier wird gesammelt, und daraus werden dann Schachsets für Kinder gepresst. Zu kaufen gibt es Verschiedenes, vom magnetischen Reiseschachset über Tassen, Bettwäsche, Literatur bis hin zu ungarischem Wein oder Seifen im Schachmuster.

Als viertes Projekt hatten Sie einen Schach-Bildungsraum genannt. Wollen Sie dort Schachkurse anbieten?
Genau. Wir möchten Sommercamps für Kinder durchführen und auch regelmäßige Erwachsenenkurse. Koordiniert wird das alles über unseren Verein „Europäische Schach Hauptstadt”, den wir gegründet haben.

Europäische Schach Hauptstadt? Das ist aber ein sehr hoher Anspruch.
Ja, das kann schon sein. Ich muss auch dazu sagen, dass mein großer Traum war, unser Museum im Herzen von Klagenfurt zu eröffnen. Wir wussten aber, dass wir sehr viel Platz benötigen. Nach wenigen Monaten war klar, dass wir
an den Stadtrand ziehen müssen. Im Zentrum sind die Gebäude zu klein, zu teuer und nicht behindertengerecht.

Welches Gebäude beziehen Sie denn jetzt?
Das liegt genau vor der Pädagogischen Hochschule in Klagenfurt. Vor uns liegt somit Kärntens größte Schule, mit der wir natürlich kooperieren möchten. Momentan sind wir aber noch mit Renovierungs- und Ausstattungsarbeiten
beschäftigt. Wir müssen ein ehemaliges Lebensmittelgeschäft irgendwie in ein Museum verwandeln.

Architektonisch stelle ich mir das gar nicht so einfach vor. Auf Bildern ist schon zu sehen, dass von der Decke Schachfiguren herabhängen. Also wie in den Tagträumen von Beth Harmon.
Genau das war auch unsere Absicht, nämlich das Damengambit darzustellen. Bei uns ist viel Eigenarbeit dabei, vor allem bei der Konzeption und bei den kreativen Elementen.

Wen meinen Sie denn eigentlich, wenn Sie von „wir” sprechen? Wer gehört zum Team?
Wir sind momentan ca. 20-25 Personen, die aktiv an diesem Projekt arbeiten. Außerdem haben sich nach dem ersten Zeitungsartikel viele Personen gemeldet, die das Museum auf irgendeine Weise unterstützen. Zum Beispiel, indem sie uns Schachsets zur Ausstellung überlassen. Im Museum haben wir einen Ort namens „Raum der Unsterblichen”. Dort werden alle Personen gewürdigt, die uns bei diesem Projekt geholfen haben.

Ein schöner Name. Welche Räume gibt es noch?
Wir haben einen Kinderraum, in dem zum Beispiel Schachsets von Disney, den Simpsons und Märchenschachsets ausgestellt sind. Dann wird es zwei Räume geben, die ausgefallene Schachtische und -uhren präsentieren. Weiterhin werden wir die Geschichte der Schachcomputer und -roboter dokumentieren.

Die begann ja eigentlich mit dem berühmten Schachtürken, oder?
Genau. Der Schachtürke wurde von einem Ungarn erfunden (Wolfgang von Kempelen, österreich-ungarischer Hofbeamter, Anm. d. Red.). Wir werden im Museum insgesamt 1000 Schachroboter ausstellen, von den Anfängen bis
zum heutigen Online-Schach. Das wird eines der Museumshighlights.

Wann öffnet das Museum denn seine Türen?
Wir haben mittlerweile drei Mal den Eröffnungstermin verschoben. Leider haben wir Probleme mit dem Dach. Das Dach ist an einigen Stellen undicht. Aufgrund von Corona, Materialmangel, Schnee und dergleichen konnten wir das bisher nicht beheben. Aber ich bin zuversichtlich, dass das bald repariert wird. Spätestens am 1. August soll es aber so weit sein.

Klagenfurt hat aktuell nicht mal ein Hallenbad. Provokant gefragt: Braucht die Stadt ein Schachmuseum?
Wir müssen den Leuten einfach klar machen, dass man kein Schachspieler sein muss, um bei uns einen interessanten Museumsbesuch zu erleben. Ich bin zuversichtlich, dass Bildung sich immer lohnt. Mein Opa hat immer gesagt: „Mädchen, zwei Sachen kann dir keiner wegnehmen. Was du gegessen hast und was du gelernt hast.” Ich sehe es bei meiner Tochter, welche Freude ihr das Schachspiel bringt. Daran glaube ich.

Die soziale Dimension des Schachspiels scheint Ihnen wichtig.
Absolut. Ich möchte auch unbedingt besondere Angebote für bestimmte Gruppen schaffen, wie etwa ein Schachturnier für Menschen mit Behinderungen. Schach ist in der Lage, Menschen miteinander zu verbinden. Und es fördert wichtige Fähigkeiten, die man im Leben brauchen kann. Also ich kenne keinen, der mir je gesagt hat: Ich bereue es, dass ich Schach
spielen kann.

So jemanden habe ich auch noch nicht kennengelernt. Vielen Dank für das Interview und viel Glück mit all Ihren Vorhaben.
Danke sehr. Und ich lade alle Schachfans hiermit herzlich ins Museum ein!


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