Rosige Zeiten für Englands Schach

Rosige Zeiten für Englands Schach

England verfügt über zwei 9-jährige Ausnahmetalente: Ethan Pang und Bodhana Sivanandan.

Bei Englands Schachnachwuchs gab es über Jahre hinweg eine große Lücke. Im Seniorenschach sind Namen wie John Nunn und Michael Adams internationale Größen, und das englische Nationalteam ist europaweit führend. Doch seit der Generation um Luke McShane (40), Gawain Jones (36) und David Howell (33) ist es recht still um den englischen Nachwuchs. Eine Ausnahme bildet allenfalls der 15jährige Shreyas Royal (2487 Elo). 

Seit dem Wechsel von Nikita Vitiugov nur noch Englands Nr. 2: GM David Howell, hier mit Kumpel und Co-Autor Magnus Carlsen

 

Nicht viel anders sieht es bei den Frauen aus. Wirklich bekannt ist eigentlich nur eine Spielerin, IM Jovanka Houska. Sie ist in den letzten Jahren häufig an der Seite von David Howell für Schach-Übertragungen bei chess.com und im norwegischen Fernsehen zu sehen.

Die größten Erfolge gibt es auch im weiblichen Bereich bei den Seniorinnen. DSB-Präsidentin Ingrid Lauterbach trug 2023 maßgeblich zum EM-Gold des Nationalteams bei. 

Doch nun hat England plötzlich sowohl im männlichen als auch im weiblichen Nachwuchs je ein absolutes Spitzentalent - Ethan Pang (2212 Elo) und Bodhana Sivanandan (2185 Elo). Beide sind 9 Jahre alt. 

Der Stern von Sivanandan ging bei der Blitz-EM im Dezember 2023 auf. Dort erzielte sie ein Resultat von 8,5/13. Damit gewann sie - als Achtjährige! - sensationell die Frauenwertung.

Der Internationale Meister und Ex-Manager von Caruana, Lawrence Trent, zeigte sich auf Twitter mehr als angetan: 

Mit Schach angefangen habe sie laut ihrem Vater "zufällig". Demnach habe sie als Fünfjährige in der Tasche eines Freundes ein Schachbrett und Figuren gefunden. Das habe ihre Neugierde geweckt (Quelle). 

Die FIDE-Rangliste der Mädchen aus dem Jahrgang 2015 führt Sivanandan mit 270 Elopunkten Vorsprung an. Mittlerweile wurde sie sogar für das englische Nationalteam bei der kommenden Schacholympiade nominiert. Damit ist sie sportartübergreifend die jüngste englische Nationalspielerin der Geschichte, was sogar von Judit Polgar gewürdigt wurde: 

Das männliche Pendant zu Sivanandan heißt Ethan Pang. Mit sieben Jahren erzielte er in einer Simultanvorstellung ein Remis gegen GM Gawain Jones. Nichts anderes als "consistent practice" ist laut Pangs Vater Raymond das Erfolgsgeheimnis des Jungen, gepaart mit der Möglichkeit, über das Internet gegen die Stärksten anzutreten.

Unter anderem gewann Pang vor einigen Tagen überraschend gegen den herausragenden 12-jährigen Spieler Yağız Kaan Erdoğmuş (vgl. eigenes Porträt). Nun pulverisierte er auch einen weiteren Rekord, nämlich den als jüngsten Spielern, der die 2.200-Barriere durchbrach. Pang gelang dies damit sogar schneller als Faustino Oro, der "Messi des Schachs", dem viele längst den WM-Titel zutrauen.  

Zwei überragende Talente also, deren weitere Entwicklung natürlich erst einmal abzuwarten ist. Denn hochgejubelt wurden schon viele Talente. 

Und der Rest des englischen Schachs? 

Das Ministerium für Kultur, Medien und Sport hat im August 2023 eine Finanzierungsspritze an den englischen Schachverband in Höhe von knapp 600.000 Euro beschlossen. Dieser Erfolg wird im Wesentlichen IM Malcolm Pein zugeschrieben, den man u.a. als Organisator des London Chess Classic kennt.

Doch das ist vermutlich nur die halbe Wahrheit, denn der Geldsegen wurde vom englischen Premier Rishi Sunak verkündet, kurz nachdem dieser eine Partie Schach mit einer Neunjährigen gespielt hatte und von dieser schwer beeindruckt war: Bodhana Sivanandan. So oder so: Für Englands Schach stehen rosige Zeiten bevor.