Einfluss auf die Karriere von Bobby Fischer: Gisela Kahn Gresser

Einfluss auf die Karriere von Bobby Fischer: Gisela Kahn Gresser

Die amerikanische Schachpionierin mit dem deutschen Namen Gisela Kahn Gresser ist US-Rekordmeisterin. Sie nahm möglicherweise entscheidenden Einfluss auf die Karriere von Bobby Fischer. 

Jonathan Carlstedt gewinnt in Baden-Baden Du liest Einfluss auf die Karriere von Bobby Fischer: Gisela Kahn Gresser 5 Minuten

Am 15. März beginnt in St. Louis der "American Cup", ein seit 2022 ausgetragenes Turnier der besten US-amerikanischen Schachspieler. Titelverteidiger sind Levon Aronian und Alice Lee.

Der "American Cup" ist nicht zu verwechseln mit der traditionsreichen US Chess Championship, der offiziellen nationalen Meisterschaft, die zuletzt im Oktober 2024 ebenfalls in St. Louis ausgetragen wurde. Die Sieger waren Fabiano Caruana und Carissa Yip.

Bei den Männern sind Bobby Fischer und Samuel Reshevsky mit je acht nationalen Titeln die Rekordhalter. Doch beide werden von einer Frau übertroffen, die sogar neun Mal US-Meisterin wurde: Gisela Kahn Gresser.

Gisela Kahn Gresser? Der Name klingt nach deutschen Vorfahren. Und so stieß ich – aus Neugier – auf den beeindruckenden Lebenslauf einer Persönlichkeit, die möglicherweise einen entscheidenden Einfluss auf die Karriere von Bobby Fischer ausübte.

Gisela Kahn Gresser, genannt „Peggy“, wurde am 8. Februar 1906 in Detroit, Michigan, geboren. Ihre Mutter Margaret stammte aus einem ungarisch-jüdischen Elternhaus, ihr Vater Julius aus Deutschland, genauer gesagt aus Münstereifel (heute Bad Münstereifel) im Süden von Nordrhein-Westfalen. Laut der Genealogiedatenbank geni.com wurde er 1897 in Jacksonville (Florida) als Amerikaner eingebürgert. 1903 patentierte er eine Technik für den Bau mit Stahlbeton und zog nach Michigan, um seinem Bruder Alfred beim Bau von Detroiter Autofabriken zu helfen. So wurde Gisela in Detroit geboren.

Sie studierte Klassische Philologie und gewann ein prestigeträchtiges Stipendium für ein Studium in Athen. 1927 kehrte sie nach New York zurück und heiratete mit nur 21 Jahren William Gresser, einen Anwalt und Musikwissenschaftler aus New York City.

Den Namen Gresser trug sie durch ihren Ehemann, dessen Eltern weißrussischer bzw. russischer Herkunft waren.

Doch wie kam Gisela Kahn Gresser zum Schach? Während einer Kreuzfahrt von Frankreich nach New York 1938 lieh sie sich ein Schachbuch von einem Mitreisenden aus und brachte sich selbst das Spiel bei. Am Ende der Reise war sie so begeistert, dass sie die US-Meisterschaft der Frauen in New York besuchte und nur zwei Jahre später (1940) selbst an diesem Turnier teilnahm. 1944 gewann sie es erstmals. Sie wiederholte diesen Erfolg mehrfach und ist mit neun Siegen Rekordhalterin, vor Irina Krush (8 Siege). Ihre letzte US-Meisterschaft gewann sie 1969 im Alter von 63 Jahren.

1949 widersetzte sie sich dem Wunsch ihres Ehemanns und reiste nach Moskau, um an der Schach-Weltmeisterschaft teilzunehmen (ein Rundenturnier mit 16 Spielerinnen). Weltmeisterin wurde Lyudmila Rudenko, aus der Sowjetunion, die dabei nur eine Niederlage hinnehmen musste – gegen Gisela Kahn Gresser.

Gresser vs. Rudenko, Moskau 1949-50

Gresser spielte später in sechs Frauen-Weltmeisterschaftszirkeln: fünf Kandidatenturnieren (1955, 1959, 1961, 1964, 1967) und einem Interzonenturnier (1971). Für das US-Team trat sie zudem in drei Frauen-Schacholympiaden an (1957, 1963, 1966).

GM Artur Bisguier, der Gresser 30 Jahre lang einmal pro Woche in ihrer Wohnung in der Park Avenue trainierte, erinnerte sich daran, dass sie eine „sehr fleißige“ Schülerin war. „Sie glaubte nicht unbedingt an Schachbücher, aber sie schrieb Notizbücher voll mit allem, was ich ihr sagte, jeder Variante“, erzählte er. „Sie war eine sehr intelligente Frau.“

Gresser war nicht nur eine talentierte Schachspielerin, sondern auch eine starke Befürworterin der Idee, dass Frauen auf höchstem Niveau im Schach konkurrieren könnten. Sie gehörte zu den ersten Frauen, die den Titel „Woman International Master“ (WIM) erhielten, als der Weltschachverband FIDE diesen Titel 1950 einführte.

Unter den Männern, gegen die sie spielte, war auch Bobby Fischer. Bevor er mit 15 Jahren der jüngste Großmeister aller Zeiten wurde, wandte sich seine Mutter eines Tages an Gresser, um Rat zu suchen. Der Wunderknabe hatte keine Lust, zur Schule zu gehen, und seine Mutter wollte wissen, was Gresser über seine Chancen im Schach dachte. Nach Angaben ihres Sohnes Ion soll sie folgendes gesagt haben: „Er ist ein wunderbares Schachtalent. Lass ihn Schach spielen.“

Welchen Einfluss Gisela Kahn Gresser auf Fischers Karriere hatte, ist heute nicht mehr zu klären. Fischer verließ jedenfalls mit 16 Jahren die Schule. Seine Mutter zog aus dem gemeinsamen Apartment in Brooklyn aus und ließ den Jungen dort allein, um eine medizinische Ausbildung aufzunehmen.  

Wie ging es mit Gisela Kahn Gresser weiter? Ihr Mann starb 1982, doch sie ließ sich davon nicht die Lebensenergie nehmen. Sie spielte weiterhin Schach, und zwar bis ins hohe Alter. Noch mit 82 Jahren nahm sie als einzige Frau an einem italienischen Meisterturnier teil. Zudem blieb sie kulturell interessiert. Sie sprach mehrere Sprachen, malte, spielte Händel und Bach auf der Flöte und unternahm in ihren 80ern mehrere Safaris nach Afrika. Dabei überlebte sie eine Flugzeugnotlandung und strandete mehrere Tage in der Wüste Libyens. Am 4. Dezember 2000 starb sie im Alter von 94 Jahren. 2012 wurde sie als erste Frau in die Hall of Fame des US-Schachs aufgenommen.

Gisela Kahn Gresser war über viele Jahrzehnte hinweg eine dominante Figur im internationalen Frauenschach und bleibt eine Pionierin. Ihr Lebenswerk zeigt, dass Frauen im Schach auf höchstem Niveau spielen können und dass Schach ein Sport für Männer und Frauen gleichermaßen ist. 

Quellen:

U.S. Women's Chess Championship - Wikipedia
Gisela Gresser; Chess Pioneer Won National Title 9 Times - Los Angeles Times
Geni - Gisela Gresser (Kahn) (1906-2000)
Women in Chess:  Gisela Kahn Gresser

Beitragsfoto:

Covid-19 Survivor Wins 2020 USA Women's Chess Championship!

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