DSB-Präsidium

DSB-Kongreiss: Zeit zur Beschäftigung mit wichtigen Fragen

Hinweis: Der nachfolgende Text erscheint in der Ausgabe Januar 2024 des Schach-Magazin 64.

Am 9. Dezember fand ein außerordentlicher Kongress des Deutschen Schachbundes statt, der auf dem Twitch-Kanal „schachdeutschlandtv” live übertragen wurde. Michael Busse von Schachgeflüster berichtet über den Verlauf der Diskussionen und die Ergebnisse.

Bericht des Finanzausschusses über die Finanzdefizite

Der Deutsche Schachbund befindet sich in einer finanziellen Schieflage. Zur Untersuchung der Finanzmisere im Deutschen Schachbund hatte der Bundeskongress im Vorfeld das neue DSB-Präsidium mit der Einsetzung eines Untersuchungsausschusses beauftragt. Die Ergebnisse des Ausschusses wurden schon vor dem Kongress auf der Internetseite des Deutschen Schachbundes veröffentlicht, so dass sich die Delegierten des Bundeskongresses bereits im Vorfeld ein Bild machen konnten. Der Abschlussbericht wirft ein vernichtendes Licht auf die Vorgänge in der Amtszeit von Ullrich Krause. Gemäß den Feststellungen der Prüfer hat Krause es versäumt, die finanziellen Gebaren des Geschäftsführers Marcus Fenner zu kontrollieren und zu unterbinden. Fenner wird eine „destruktive Energie” bescheinigt. Die Prüfer attestierten dem DSB jedoch geringe Chancen auf eine erfolgreiche Schadensersatzklage, so dass diese Option auf dem Kongress auch gar nicht diskutiert wurde.

Überraschend war die Ankündigung von Präsidentin Ingrid Lauterbach, dass ihr Amtsvorgänger Ullrich Krause nun den Zugriff auf seine gelöschte Mailbox ermöglichen will. Dass sich daraus etwas grundlegend Neues ergibt, ist unwahrscheinlich.

Haushaltsplanungen 2023 - 2025 und Mitgliederportal

Der Kongress verabschiedete mit jeweils großen Mehrheiten den Nachtragshaushalt für 2023 sowie die Haushalte für die Jahre 2024 und 2025. Für 2024 wird mit einem Defizit geplant, das durch die Auflösung von Rücklagen gedeckt wird. Maßgeblich für das Minus ist insbesondere die Beauftragung der Firma nu mit dem neuen Mitgliederportal. Dieses wird teurer als geplant, ist aber so weit fortgeschritten, dass es kein Zurück mehr gibt. Auf die Frage, ob das Geld überhaupt da sei, antwortete der für Finanzen zuständige Vizepräsident Axel Viereck im Stil von Angela Merkel: „Das wird knapp, aber wir werden es schaffen”. Viereck prognostizierte zwar für den Jahreswechsel 2024/25 ein vorübergehendes Liquiditätsproblem, doch der württembergische Verband bot an, vorläufig auszuhelfen. Für das Haushaltsjahr 2025 rechnet der DSB dann wieder mit einem geringen Plus.

DSB-Präsidium, v.ln.r. Guido Springer, Axel Viereck, Ingrid Lauterbach, Jürgen Klüners

Mitgliedsbeiträge für Kinder U10

Entsprechend der aktuellen Satzung erhebt der Schachbund keine Gebühren seitens der Vereine für Mitglieder unter zehn Jahren. Ein gemeinsamer Antrag von Axel Viereck und der Deutschen Schachjugend sah vor, dies zu ändern. Ein Großteil der Mittel sollte an die Schachjugend weitergereicht werden, die gerade für diese Altersgruppe beliebte Angebote wie Kinderschachturniere und Schachcamps bereithält. An dieser Stelle wurde es emotional. Der Präsident des Schachbundes Rheinland-Pfalz betrachtete Gebühren für Kinder als „Schlag ins Gesicht der Jugendarbeit”. Michael Langer aus Niedersachsen verglich die damit einhergehenden Mehreinnahmen mit dem “Sparen an Keksen”. DSB-Präsidentin Lauterbach betonte dagegen, dass attraktive Angebote auch etwas kosten und wert sein dürfen, was für Kinder gleichermaßen gilt. Der Antrag fand jedoch keine Mehrheit im Kongress und wurde knapp abgelehnt. Im späteren Verlauf des Kongresses wurde die Schachjugend jedoch dafür kompensiert: Aus dem allgemeinen Haushalt werden zusätzliche 16.000 Euro für die DSJ bereitgestellt.

Finanzielle Ausstattung der Schachjugend

Die komplexen finanziellen Beziehungen zwischen Schachbund und Schachjugend belasten seit der Ausgründung der DSJ aus dem DSB das ohnehin angespannte Klima. Der Kongress beschloss nun, dass die sogenannten Projektzuschüsse für die Schachjugend in fixe Beträge umgewandelt werden. Das spart Administrationsaufwand und künftige Streitigkeiten. Über die vom Schachbund verlangten Rückzahlungen für Projektzuschüsse aus der Vergangenheit konnten beide Institutionen aber keine Einigung erzielen. Es scheint also wahrscheinlich, dass das Schiedsgericht hierüber letztlich entscheiden muss.

Mehr Punkte für Vincent Keymer

Ein knappes „Ja” gab es für den Antrag, die Deutsche Meisterschaft umzustrukturieren. Hintergrund: Die besten deutschen Spielerinnen und Spieler treten aktuell nicht bei der Deutschen Meisterschaft an, sondern im German Masters.  Dieses wird von der FIDE aber nicht als nationale Meisterschaft anerkannt. Das ist zum Nachteil unserer Spitzenspieler wie Vincent Keymer, Elisabeth Pähtz und Dinara Wagner. Denn aufgrund internationaler Regularien können sie durch ihre Teilnahme am German Masters keine Punkte sammeln, um sich potenziell fürs Kandidatenturnier der FIDE zu qualifizieren.

Nach dem erfolgreichen Antrag wird das Event zukünftig aufgeteilt in eine Meisterklasse (bisheriges „German Masters”) und eine Kandidatenklasse (bisherige „Deutsche Meisterschaft”). Das macht für Keymer & Co. die Teilnahme attraktiver, da es nun auch um Punkte fürs FIDE-Kandidatenturnier geht.

Das Argument Keymer war letztlich wohl auch der Grund für die Zustimmung, denn in der Vergangenheit war dieser Antrag bereits gescheitert. Verbände wie Bayern fürchten, dass ihre eigene Landesmeisterschaft an Attraktivität verliert, wenn sie ihre jeweiligen Landesmeister nur zum B-Turnier der Deutschen Meisterschaft entsenden dürfen.

Abstimmungsergebnis Reform der Deutschen Meisterschaft

Der Bundeskongress und die Frauen

Der Bundeskongress tat sich auch dieses Mal schwer mit Anträgen, die die Förderung des Mädchen- und Frauenschachs zum Gegenstand haben. Trotz Nachfragen einiger Delegierten gab es kein klares Bekenntnis für den Mädchen- und Frauenschachkongress, dessen Finanzierung schon in diesem Jahr auf wackeligen Beinen stand. Zudem lehnte der Kongress den Berliner Antrag ab, bei Männern und Frauen gleiche Honorarsummen für die Nationalmannschaft vorzusehen. Auch der abgemilderte Antrag („anzustreben”) fand keine Mehrheit. Vorangegangen war eine Diskussion über die kontroverse Frage, ob Erfolge der Frauen gleichwertig mit Erfolgen der Männer sind, wenn gleichzeitig die Eloleistung deutlich niedriger ist. Bemerkenswert war, dass sich insbesondere der Leistungssportreferent Gerry Hertneck wie auch DSB-Präsidentin Lauterbach gegen die Angleichung der Honorarsummen aussprachen. Hertneck brachte vor, dass die Sponsoren vorwiegend die Nationalmannschaft der Männer finanzieren wollen würden, während Ingrid Lauterbach den Antrag für nicht ausgearbeitet und für „zu high level” hielt.

Eigenständigkeit der Bundesliga

Auch mit dem Antrag auf Kündigung des Kooperationsabkommens zwischen dem Schachbund und dem Schachbundesliga e.V. hatte der Berliner Verband das Nachsehen. Präsident Paul Meyer-Dunker führte an, dass eine Rückführung der Bundesliga Synergien in der Öffentlichkeitsarbeit mit sich bringen würde. Das Präsidium der Schachbundesliga hatte sich im Vorfeld mit einer Stellungnahme gegen diesen Antrag gestellt und auf die ebenso ausbaufähige Öffentlichkeitsarbeit des Schachbundes verwiesen. Es wurde deutlich, dass Berlin im Vorfeld nicht versucht hatte, die gemeinsame Kommission von Schachbund und Schachbundesliga einzubeziehen oder weitere Befürworter des Antrags zu gewinnen. Dementsprechend eindeutig fiel die Ablehnung aus.

Zurückgezogene Anträge aus Württemberg

Gespielte Empörung zeigte Carsten Karthaus, der Präsident des Schachverbandes Württemberg, als er vom ansonsten souveränen Sitzungsleiter Ingo Thorn als Vertreter von Baden-Württemberg bezeichnet wurde. Trotz Annäherungen in den letzten Jahren sind die beiden Verbände aus Baden und Württemberg immer noch getrennt. Auch Karthaus stellte verschiedene Anträge, wie zum Beispiel die Einführung von Aufwandsentschädigungen bei Vereinswechseln von Kindern sowie die Bildung eines sogenannten Bundesrates. Der Bundesrat soll den früheren Arbeitskreis der Landesverbände ersetzen, der seine eigene Abschaffung beschlossen hatte. Karthaus zog den Antrag zurück, vermutlich weil er nicht mehrheitsfähig gewesen wäre, will ihn aber an anderer Stelle weiterverfolgen. In Bezug auf Vereinswechselgebühren konnte er bereits vor dem Kongress die Einsetzung einer Arbeitsgruppe durchsetzen. Ob eine solche Idee das Kinderschach fördert oder doch eher nur Streitigkeiten zwischen den beteiligten Vereinen mit sich bringt, sei hier einmal dahingestellt.

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Mit einem Vorwort von GM Niclas Huschenbeth


Ehrung

Erfreuliches aus württembergischer Sicht gab es bei den Ehrungen zu berichten. Thomas Wiedmann, Internationaler Schiedsrichter und langjähriger Turnierleiter der DSB-Pokalmeisterschaften, wurde mit der goldenen Ehrennadel ausgezeichnet. Jürgen Kohlstädt, dienstältester Funktionär im Deutschen Schachbund, hielt - nach Überwindung seiner technischen Schwierigkeiten - die Laudatio.

Bilanz

Das DSB-Präsidium kann sich freuen: Mit drei genehmigten Haushalten für 2023, 2024 und 2025 im Gepäck besteht nun Planungssicherheit. Die finanziellen Verfehlungen der Ära Krause/Fenner scheinen vorerst ad acta gelegt, und auch beim Streitthema Mitgliederverwaltung ist ein Ende absehbar: Die neue Software soll zum 1. Februar eingeführt werden.

Interessant war auch zu beobachten, wie sich die vorherige Abstimmung von Anträgen mit anderen Landesverbänden, zuständigen Kommissionen, Referenten und Präsidiumsmitgliedern auf die Erfolgsaussichten auswirkt. Anträge, für die vorher Mehrheiten gesucht wurden und die von mehreren Antragstellern gemeinsam eingebracht wurden, erzielten eine deutlich höhere Erfolgsquote als Alleingänge. Beim Schach geht es eben nicht immer nur um Inhalte, sondern auch um Politik.

Die offenen Fragen

Es bleibt zu hoffen, dass sich das Präsidium nun nicht in administrativen Angelegenheiten wie der geplanten Mitgliederverwaltungsordnung verliert, sondern die großen inhaltlichen Themen angeht: Wie nutzen wir den derzeitigen weltweiten Schachboom? Wie bekommen wir die Onlinespieler in unsere Schachvereine? Wie unterstützen wir die deutschen Spitzentalente bestmöglich? Welche neuen Sponsoren können angesprochen werden? Wie fördern wir das Mädchen- und Frauenschach? Und wie wird der Schachsport noch präsenter in Schulen, Universitäten und Betrieben? Zu diesen Fragen wartet die Schachgemeinschaft immer noch auf Antworten. Hoffentlich werden sie in den nächsten Monaten gemeinsam erarbeitet.